In der Welt der Hundezucht ist die künstliche Besamung (KB) seit Jahren Gegenstand kontroverser Diskussionen, während sie bei anderen Tierarten schon seit langem fester Bestandteil fortschrittlicher Zuchtprogramme ist. Die Fédération Cynologique Internationale (FCI) hat in ihrem internationalen Zuchtreglement strenge Richtlinien zur KB festgelegt. Es ist an der Zeit, diese Bestimmungen kritisch zu hinterfragen und eine zeitgemäße Neubewertung vorzunehmen.
Die aktuellen FCI-Bestimmungen im Überblick
Gemäß den FCI-Bestimmungen soll die künstliche Besamung nur in Ausnahmefällen angewendet werden. Hunde sollten sich auf natürliche Weise fortpflanzen, und KB darf nur bei Tieren eingesetzt werden, die sich zuvor bereits natürlich vermehrt haben. Ausnahmen sind lediglich zur Verbesserung der Gesundheit der Rasse, zum Wohl der Hündin oder zur Bewahrung bzw. Erweiterung des genetischen Pools innerhalb der Rasse vorgesehen.
Argumente für die routinemäßige Anwendung der KB
1. Gesundheitsschutz als oberste Priorität
Ein wesentlicher Vorteil der KB ist der erhöhte Gesundheitsschutz für die beteiligten Tiere. Durch die Vermeidung des direkten Kontakts zwischen Rüde und Hündin wird das Risiko der Übertragung von Krankheiten signifikant reduziert. Insbesondere werden die Rüden und die Bestände, in denen die Rüden stehen, geschützt. Ohne KB sind alle Quarantäneregeln, denen sich ein Hundezüchter unterzieht, wirkungslos und es können schwerwiegende Gesundheitsprobleme auftreten:
Beim natürlichen Deckakt können Krankheiten wie das Canine Herpesvirus, Leptospirose, Chlamydien, Mykoplasmen sowie Streptokokken und Staphylokokken übertragen werden. Diese Erreger können zu Fehlgeburten, Unfruchtbarkeit, Gebärmutterentzündungen und anderen ernsthaften Gesundheitsproblemen führen. Eine Infektion kann sich schnell innerhalb eines Bestandes ausbreiten und im schlimmsten Fall zur Keulung aller Tiere führen, was sowohl einen emotionalen als auch finanziellen Verlust bedeutet.
In Zeiten, in denen der verantwortungsvolle Umgang mit der Gesundheit unserer Haustiere immer mehr an Bedeutung gewinnt, bietet die KB eine sichere Alternative zur natürlichen Paarung. Durch den Wegfall des direkten Kontakts wird die Wahrscheinlichkeit der Krankheitsübertragung deutlich reduziert und durch die Vermeidung von Krankheitsausbrüchen wird die Gesundheit und Qualität des gesamten Bestandes langfristig gesichert.
2. Erhaltung wertvoller genetischer Ressourcen
Die KB ermöglicht die Nutzung von Sperma verstorbener Rüden. Dies ist von unschätzbarem Wert für die Erhaltung und Verbesserung von Rassen, da das genetische Material herausragender Zuchttiere über deren aktive Zuchtzeit hinaus verfügbar bleibt. So können seltene und wertvolle Blutlinien bewahrt und gezielt eingesetzt werden. Insbesondere Rassen, deren Populationen aufgrund politischer Willkür zusammenzubrechen drohen, können so für die Nachwelt erhalten werden.
3. Erweiterte Zuchtmöglichkeiten durch größere Auswahl
Durch die KB haben Züchter Zugang zu einer wesentlich größeren Auswahl an potenziellen Deckrüden. Dies ermöglicht eine präzisere Zuchtplanung, da der optimale Anpaarungspartner unabhängig von geografischen Einschränkungen gewählt werden kann. Die genetische Vielfalt innerhalb der Rasse kann so effektiv erhöht werden.
4. Förderung der internationalen Zusammenarbeit
Die KB erleichtert den genetischen Austausch über Ländergrenzen hinweg, ohne dass aufwendige und stressige Tiertransporte notwendig sind. Dies fördert nicht nur die Vielfalt innerhalb der Rassen, sondern auch die internationale Zusammenarbeit zwischen Züchtern, was zu einer globalen Verbesserung der Zuchtstandards führen kann.
Argumente gegen die Routinemäßige Anwendung der KB
Verlust des natürlichen Paarungsverhaltens?
Ein häufig vorgebrachtes Argument gegen die routinemäßige Anwendung der KB ist die Sorge, dass das natürliche Paarungsverhalten der Hunde nicht mehr selektiert wird. Dies könnte langfristig zu Problemen bei der natürlichen Fortpflanzung führen. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Forderung, Rüden müssten sich zuerst natürlich fortgepflanzt haben, keinen nachhaltigen Einfluss auf das Deckverhalten der Hunde hat.
Aus über 20 Jahren Zuchterfahrung mit einer schwierig zu züchtenden Rasse kann berichtet werden, dass zwar etwa 80 % der Rüden nicht in der Lage sind, selbstständig eine Hündin zu decken. Mit fachkundiger Unterstützung durch den Züchter waren jedoch alle Rüden dazu in der Lage. Trotz der strengen FCI-Regelungen hat es in diesem Merkmal keinen signifikanten Zuchtfortschritt gegeben.
Unlogische Kostenverteilung
Die aktuellen Bestimmungen sehen vor, dass die Kosten der Spermaentnahme zu Lasten des Eigentümers der Hündin fallen. Dies ist unlogisch, da zum Zeitpunkt der Entnahme von Tiefgefriersperma oft noch gar nicht bekannt ist, für welche Hündin es verwendet wird. Eine gerechtere Kostenverteilung, möglicherweise durch den Eigentümer des Rüden oder durch eine gemeinsame Vereinbarung, sollte in Betracht gezogen werden.
Fazit
Es ist dringend notwendig, die FCI-Bestimmungen zur künstlichen Besamung bei Hunden zu überarbeiten. Die Bedenken hinsichtlich eines möglichen Verlusts des natürlichen Paarungsverhaltens sind ernst zu nehmen, doch die aktuelle Regelung hat gezeigt, dass sie diesem Problem nicht effektiv entgegenwirkt. Die Vorteile der KB — insbesondere in Bezug auf Gesundheitsschutz, genetische Vielfalt und Zuchtqualität — überwiegen deutlich.
Eine modernisierte Regelung sollte die künstliche Besamung als gleichberechtigte Option neben der natürlichen Paarung anerkennen und klare, aber flexible Richtlinien für ihre Anwendung festlegen. Dabei sollten Gesundheit und Wohlbefinden der Tiere stets im Mittelpunkt stehen.
Es liegt nun an der FCI und den nationalen Zuchtverbänden, diese wichtige Diskussion aufzugreifen und die Bestimmungen im Sinne einer fortschrittlichen und verantwortungsvollen Hundezucht zu überarbeiten. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Hundezucht mit den Fortschritten in Wissenschaft und Technologie Schritt hält und die hohen Standards zum Wohle der Tiere erfüllt.