Die Tierschutz-Hundeverordnung, die am 1. Januar 2022 in Kraft trat, wurde mit der Absicht eingeführt, das Wohlergehen von Hunden in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Doch gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Hinter einigen Regelungen verbergen sich potenzielle Gefahren, die nicht nur das Ziel verfehlen, sondern sogar kontraproduktiv wirken könnten. Eine besonders umstrittene Bestimmung ist der Betreuungsschlüssel für Zuchthunde. Diese Reihe von Artikeln soll die Leser aufrütteln und ein Bewusstsein für die versteckten Probleme dieser Verordnung schaffen.
Ein fragwürdiger Betreuungsschlüssel
Gemäß § 3 Absatz 5 der Tierschutz-Hundeverordnung muss für jeweils bis zu fünf Zuchthunde und ihre Welpen eine Betreuungsperson zur Verfügung stehen. Auf den ersten Blick scheint dies eine vernünftige Maßnahme zum Schutz der Tiere zu sein. Doch bei genauerer Betrachtung treten erhebliche Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit und Wirksamkeit dieser Regelung auf.
Unklare Definitionen führen zu Verwirrung
Zunächst fehlt es an klaren Definitionen. Was genau ist ein „Zuchthund“? Der Gesetzgeber versteht hierunter üblicherweise alle Hunde im fortpflanzungsfähigen Alter, unabhängig vom Geschlecht und unabhängig davon, ob sie tatsächlich zur Zucht eingesetzt werden. Eine „Betreuungsperson“ ist jemand, der einen Hund hält oder betreut. Doch in welchem Umfang muss diese Person beschäftigt sein, um als vollwertige Betreuungskraft zu gelten? Fehlt es an Klarheit, entstehen Unsicherheiten und Interpretationsspielräume, die den Sinn der Regelung untergraben.
Die Probleme der 5-Hunde-Grenze
Die Limitierung von fünf Zuchthunden pro Betreuungsperson birgt mehrere gravierende Nachteile, die das Tierwohl gefährden und Züchter unverhältnismäßig belasten.
Ineffiziente Ressourcennutzung
Eine Betreuungsperson, die für die Betreuung von nur fünf Zuchthunden eingestellt wird, ist unterbeschäftigt, insbesondere wenn diese Hunde nicht zur Zucht verwendet werden. Dies führt zu einer Verschwendung von Arbeitskraft und erhöhten Kosten für Züchter, ohne dass ein Mehrwert für das Tierwohl entsteht.
Vergleichende Betrachtung:
- Landwirtschaft: Zwei Arbeitskräfte betreuen mithilfe von Melkrobotern etwa 100 Milchkühe.
- Pflegeeinrichtungen: Eine Pflegekraft betreut durchschnittlich 10 Menschen.
Warum sollte die Betreuung eines Hundes zehnmal aufwendiger sein als die einer Milchkuh und warum stellt der Gesetzgeber das Tierwohl über das Wohl des Menschen? Diese Diskrepanzen stellen die Verhältnismäßigkeit der Regelung ernsthaft in Frage.
Ungerechte Benachteiligung bestimmter Hunderassen
Die Verordnung ignoriert die Vielfalt der Hunderassen und ihre unterschiedlichen Bedürfnisse und Eigenschaften. Züchter von Rassen mit geringer Wurfgröße müssen mehr Zuchthunde halten, um die gleiche Anzahl von Welpen aufzuziehen wie Züchter von Rassen mit normaler Wurfgröße. Da der tatsächliche Betreuungsaufwand in erster Linie von der Zahl der Welpen und nicht von der Zahl der Elterntiere abhängt, bedeutet dies, dass für Welpen von Rassen mit geringer Fruchtbarkeit deutlich höhere Betreuungskosten anzusetzen sind. Die pauschale Limitierung führt zu höheren Kosten und einer ungerechtfertigten Benachteiligung der Züchter dieser Rassen.
In der Praxis ist die Benachteiligung von Rassen mit geringer Wurfgröße sogar noch gravierender: Ein verantwortungsbewusster Züchter einer Rasse mit geringer Fruchtbarkeit wird in der Regel mehr Hunde halten wollen, als er tatsächlich zur Zucht benötigt. Hierdurch kann er auf eine Halbschwester zurückgreifen, falls sich die Hündin, die er eigentlich für die Zucht favorisiert hat, als unfruchtbar herausstellen sollte, oder wenn sie schlechte Muttereigenschaften hat. Andernfalls läuft der Züchter Gefahr, in solch einem Fall die Probleme in die nächste Generation weiterzutragen und in der Rasse zu festigen.
Gefährdung der Hundegesundheit und genetischen Vielfalt
Die strikte Begrenzung auf 5 Zuchthunde je Betreuungsperson könnte Züchter dazu veranlassen, die Abstände zwischen den Würfen zu verkürzen um alte Zuchthündinnen früher abgeben zu können, wodurch sich die Zahl ihrer Zuchthündinnen je aufgezogenem Wurf reduzieren würde. Das kann der Gesundheit der Zuchthündinnen schaden. Die Züchter könnten auch entscheiden, weniger Zuchtrüden einzusetzen, um die vorgeschriebene Obergrenze einzuhalten. Dies könnte langfristig zu einer Verringerung der genetischen Vielfalt, zu Inzucht und somit zu einem Anstieg der Häufigkeit von Erbkrankheiten führen.
Langfristig drohen also:
- Erhöhte Inzucht: Weniger Zuchttiere bedeuten eine geringere genetische Vielfalt.
- Anstieg von Erbkrankheiten: Durch Inzucht steigt das Risiko genetischer Defekte.
- Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustands: Häufigere Geburten schwächen die Hündinnen und können zu gesundheitlichen Problemen führen.
Fehlende wissenschaftliche Grundlage
Es gibt keine belastbaren Studien, die belegen, dass eine Person nicht mehr als fünf Zuchthunde angemessen betreuen kann. Die Regelung basiert somit nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern wirkt willkürlich und unverhältnismäßig.
Dringender Handlungsbedarf: Ein Appell an den Gesetzgeber
Die genannten Punkte zeigen deutlich, dass die aktuelle Regelung mehr Schaden anrichtet, als sie Nutzen bringt. Es ist unerlässlich, den Betreuungsschlüssel zu überdenken und anzupassen.
Konkrete Verbesserungsvorschläge
- Anpassung an die tatsächliche Arbeitsbelastung: Statt die Anzahl der Zuchthunde zu begrenzen, sollte die maximale Anzahl der gleichzeitig aufzuziehenden Welpen pro Betreuungsperson festgelegt werden.
- Berücksichtigung der Rasseunterschiede: Die Verordnung sollte die unterschiedlichen Bedürfnisse und Gegebenheiten der verschiedenen Hunderassen berücksichtigen.
- Wissenschaftliche Fundierung: Zukünftige Regelungen sollten auf wissenschaftlichen Studien basieren, um effektiv und zielgerichtet zu sein.
Fazit: Für ein sinnvolles Tierschutzgesetz
Die Tierschutz-Hundeverordnung in ihrer aktuellen Form verfehlt nicht nur ihr Ziel, sondern gefährdet auch das Wohl der Hunde und belastet verantwortungsbewusste Züchter unverhältnismäßig. Ein Gesetz, das das Tierwohl fördern soll, darf nicht auf unklaren Definitionen und willkürlichen Beschränkungen basieren.
Es ist an der Zeit, aufzuwachen und zu handeln. Wir fordern den Gesetzgeber auf, die Verordnung zu überarbeiten und praxisnahe, wissenschaftlich fundierte Regelungen zu schaffen, die das Wohlergehen der Hunde tatsächlich verbessern.
Ihr Beitrag zählt
Jeder Einzelne kann dazu beitragen, auf diese Missstände aufmerksam zu machen:
- Informieren Sie sich und andere über die Auswirkungen der aktuellen Verordnung.
- Unterstützen Sie Züchter, die verantwortungsvoll handeln und unter den aktuellen Bedingungen leiden.
- Setzen Sie sich aktiv ein, indem Sie Petitionen unterschreiben oder sich an Ihre politischen Vertreter wenden.
Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass gut gemeinte Gesetze auch gut gemacht sind – zum Wohle der Hunde und aller Beteiligten.